Wien, 27.05.2021
VSA strebt Sammelklage gegen die Republik Österreich an

Der Verein zum Schutz von Anlegerinteressen (VSA) plant, im laufenden Jahr eine Sammelklage gegen die Republik Österreich einzubringen. Hintergrund ist der Verstoß gegen EU-Recht, wodurch Rücktritte der Versicherungsnehmer von Lebensversicherungen wirtschaftlich entwertet werden.

Per 4. Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das Versicherungsnehmerrechte bei Rücktritt von einer Lebensversicherung einschneidend geändert hat. Das, obwohl Dr. Markus Weyer, Obmann des Vereins zum Schutz von Anlegerinteressen und sein Team, alle Nationalratsabgeordnete zuvor persönlich ausführlich darüber aufgeklärt hatten, dass man damit gegen EU-Recht verstößt und Versicherungsnehmern ein EU-Recht nimmt.

Die Republik lässt dem Bürger zwar das Recht zu kündigen, nimmt ihm aber den Anspruch auf Rückzahlung seiner Prämien. Sein Geld soll bei der Versicherung verbleiben. Kosten und Verluste werden dem Bürger auferlegt.

Die Lage
Mit dem Gesetz entzog die Republik ihren Bürgern den wirtschaftlichen Wert des Rücktritts von Lebensversicherungsverträgen mit fehlerhafter Belehrung. Tatsächlich sind die Folgen des Gesetzes für die Bürger weitreichend:

  • Bürger, die ihren Vertrag zwischen 1994 bis 2014 geschlossen haben, bekommen nach einem Rücktritt überhaupt nichts mehr.
  • Bürger, die ihren Vertrag zwischen 2014 bis 2020 geschlossen haben, bekommen nach einem Rücktritt nur noch den Rückkaufswert ohne Abzüge.
  • Bürger, die eine fondsgebundene Versicherung zwischen 2014 bis 2021 geschlossen haben, müssen nach einem Rücktritt jetzt alle bis zum Rücktritt eingetretenen Veranlagungsverluste tragen.

Der EuGH entschied in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013, dass ein Rücktrittsrecht bei Belehrungsfehlern nicht erlischt und dieses Rücktrittsrecht zeitlich nicht begrenzt ist. Der EuGH entschied ferner, dass der Mitgliedstaat das Rücktrittsrecht auch nicht entwerten darf. So urteilte der EuGH für Österreich am 19. Dezember 2019 unmissverständlich, dass Bürger in der Republik Österreich nicht auf die Zahlung des Rückkaufswertes beschränkt werden dürfen:

„Somit ist auf die vierte Frage in der Rechtssache C-479/18 zu antworten, dass Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619, Art. 35 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83 und Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Versicherer einem Versicherungsnehmer, der von seinem Vertrag zurückgetreten ist, lediglich den Rückkaufswert zu erstatten hat.“ (EuGH C-335/18 u.a. vom 19. Dezember 2019, dort Rn 111)

Der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich hat das Urteil zwischenzeitlich mehrfach bestätigt. Jeder Bürger, der in Österreich eine Lebensversicherung mit fehlerhafter Belehrung zum Rücktrittsrecht geschlossen hat, kann die Rückzahlung aller gezahlter Prämien zuzüglich 4% Zinsen verlangen.

Republik haftet für entstandenen Schaden
Die Republik Österreich muss den entstandenen Schaden ersetzen. Nach der Rechtsprechung des EuGH haftet ein Mitgliedstaat seinen Bürgern dafür, dass ein Gesetz, welches den Bürgern durch eine Richtlinie gewährtes Recht entzieht, einschränkt oder wie hier wirtschaftlich entwertet.

Je nach Versicherung handelt es sich hierbei um eine Schadenssumme von bis zu mehreren tausend Euro je Polizze, für die der Staat Österreich, nicht die Versicherungsgesellschaft, aufkommen muss.

Dr. Markus Weyer, Obmann des Vereins zum Schutz von Anlegerinteressen: „Wir haben den Nationalrat 2018 vor Beschluss des Gesetzes auf diese Problematik hingewiesen und durch persönliches Anschreiben jeden einzelnen Abgeordnteten davor gewarnt, dass man gegen EU-Recht verstößt. Österreich schafft mit dem Gesetz vom 4. Juli einen Präzedenzfall. Uns ist kein Fall bekannt, in dem ein Mitgliedstaat seinen Bürgern ein EU-Recht durch Gesetz nachträglich wieder nimmt. Dies ist ein einmaliger Vorgang. In den vergangenen Wochen haben wir die notwendigen Schritte vorbereitet und eine prozesskostenfinanzierte Klage für betroffene Bürger ermöglicht. Bisher bieten wir Bürgern auf unserer Internetseite unter https://vsa.co.at online einen Beispielrechner an. Damit erhält jeder Bürger kostenlos eine schnelle Einschätzung, in welcher Höhe ein Anspruch bestehen kann. Derzeit setzen wir einen Prozess auf über den alle Bürger über einige Eingaben und einem Beispielrechner mit einfachen Schritten unkompliziert zu ihrem Recht kommen. Kostenlos. Bis zum Jahresende bereiten wir die Sammelklage gegen die Republik Österreich vor. Interessenten können sich jederzeit an uns wenden, es entstehen für sie keine Kosten.“

Weiterführende Links zu den Dokumenten und Rechtsprechungen
Bundesgesetzblatt Nr. BGBl. I Nr. 51/2018
Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung
Urteil des Gerichtshofs (3. Kammer) vom 19. Dezember 2019
Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 11. Juli 2019
Parlamentskorrespondenz Nr. 813 vom 04.07.2018
Urteil des Obersten Gerichtshof vom 02.09.2015

Rückfragehinweis PR-Agentur:
Markus Riedlmayer Bakk., MBA Senior Consultant

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