16.12.2021
VSA-Obmann Dr. Markus Weyer im Interview zur Klage gegen die Republik Österreich
Der Verein zum Schutz von Anlegerinteressen (VSA) bereitet aktuell eine Sammelklage gegen die Republik Österreich vor. Hintergrund ist ein im Jahr 2018 verabschiedetes Gesetz, bei dem der ehemalige Vize-Kanzler und Ex-FPÖ Chef, Heinz-Christian Strache, und der ehemalige ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger unter Verdacht der Bestechlichkeit stehen (für die genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung) und durch dieses rund 7 Millionen Bürgerinnen und Bürger bei ihren bestehenden Lebensversicherungen durch die Republik zum Teil enteignet wurden! Das Gesetz verstößt gegen EU-Recht, womit die Republik Österreich für die geschätzte Gesamtschadensumme von € 35 Milliarden haftet!
2017 und 2018 konnten Sie als Obmann des Verein zum Schutz von Anlegerinteressen erfolgreich die Verabschiedung des betroffenen Gesetzes verhindern, haben sich mittels offenem Brief an sämtliche Abgeordnete zum Nationalrat gewandt. Wie wurden Sie überhaupt darauf aufmerksam?
Dr. Markus Weyer: „Wir bekamen Hinweise aus der Versicherungswirtschaft, dass Änderungsgesetze geplant waren. Besonders Versicherungsmakler gaben wertvolle Hinweise. Bei unseren Nachforschungen stießen wir dann in Fachausschüssen auf teils gut versteckte Entwurfstexte.“
Gab es damals auch Rückmeldungen von Abgeordneten?
Dr. Markus Weyer: „Ja. Wir haben mit verschiedenen Abgeordneten persönlich telefoniert. Sie kamen nach unserer Intervention direkt auf uns zu. Auffallend war, dass vielen weder die Existenz, noch die Tragweite der teils sehr komplizierten Regelungen klar war.“
Welche Schritte hat man Seitens des VSA seit der Verabschiedung des Gesetzes getroffen?
Dr. Markus Weyer: „Wir haben die Rechtsgrundlagen mit Rechtswissenschaftlern geprüft. Ausgehend davon haben wir ein internationales Team von Fachleuten darunter u.a. Aktuare, Programmierer und Rechtsanwälte zusammengestellt. Für uns war schon früh klar, dass wir für das Projekt ein starkes Case- und Claims-Management brauchen. Daher haben wir uns früh nach starken Partnern für eine Legal-Tech Lösung umgesehen. Mit diesem Ansatz konnten wir dann auch schnell einen Prozesskostenfinanzierer finden, der uns auch bei der Finanzierung der IT-Infrastruktur half.“
Wie groß ist der geschätzte Gesamtschaden? Wie viele betroffene Polizzen und Versicherungsnehmer gibt es in Österreich?
Dr. Markus Weyer: „Der Gesamtschaden dürfte sich auf mehrere Milliarden Euro belaufen. Die Anzahl der betroffenen Polizzen schätzen wir aufgrund des langen Zeitraums und dem Umstand, dass auch schon gekündigte Polizzen betroffen sein können auf mehrere Millionen Verträge. Zum Vergleich: In Deutschland bestanden allein 2019 über 80 Millionen Lebensversicherungsverträge.“
Sie bereiten aktuell die Sammelklage gegen die Republik Österreich vor, übernehmen dabei selbst das gesamte Risiko. Wie hoch sind die Aussichten auf einen Erfolg?
Dr. Markus Weyer: „Mit der Klage beschreiten wir juristisches Neuland. In der gesamten Rechtsgeschichte der EU hat es noch keinen Fall gegeben, dass ein EU-Mitgliedsstaat durch Gesetz ein schon bestehendes EU-Recht seiner Bürger nachträglich wirtschaftlich entzieht. Wir gehen daher von guten Erfolgsaussichten aus. Spätestens vor dem Europäischen Gerichtshof wird die Klage Erfolg haben.“
Was können Betroffene aktuell tun? Haben Sie einen Appell an Versicherungsnehmer?
Dr. Markus Weyer: „Werden Sie aktiv! Die Republik wälzt einen Milliardenschaden auf seine Bürger ab. Unsere Sammelklage bieten Ihnen die kostenlose Möglichkeit den Staat dafür haften zu lassen. Sie müssen nicht alleine über mehrere Instanzen gegen Ihre Versicherung klagen. Alles was Sie brauchen ist Ihr Versicherungsantrag und Ihre Polizze!“
Kostenlose Prüfung und Teilnahme
Auf der Website des Vereins zum Schutz von Anlegerinteressen unter www.vsa.co.at kann mittels eines Rechners eine unverbindliche Schätzung über die Höhe des Anspruchs gegen die Republik eingeholt werden. Um sich an der Sammelklage zu beteiligen, reicht die Beantwortung weniger Fragen über ein Eingabeformular. In der Folge wird geprüft ob ein Anspruch besteht und wie hoch dieser ausfällt. Die Beteiligung an der Sammelklage ist kostenlos, der VSA trägt das Risiko zu 100 Prozent. Im Erfolgsfall werden 65 Prozent des Streitwerts an die/den Geschädigten ausgezahlt.
Zur europarechtlichen Staatshaftungsklage gegen die Republik Österreich wegen legislativen Unrechts:
Was besagt die 3. Lebensversicherungsrichtlinie?
Die in das Versicherungsvertragsgesetz umgesetzte 3. Lebensversicherungsrichtlinie der Europäischen Union besagt, dass das Rücktrittsrecht bei Lebensversicherungen, nach Abschluss, 30 Tage beträgt und der Versicherungsnehmer ordnungsgemäß darüber belehrt werden muss. Als Mitglied der Europäischen Union ist Österreich dazu verpflichtet, die 3. Lebensversicherungsrichtlinie umzusetzen.
Welcher Teil der Richtlinie wurde „verletzt“?
In seinem Urteil vom 19.12.2013 im Fall Walter Endress gegen Allianz Lebensversicherungs AG (C-209/12) entschied der EuGH, dass einem Versicherungsnehmer im Falle einer fehlerhaften Belehrung über die Rücktrittsfrist, das Rücktrittsrecht unbefristet zusteht. Dies hat auch der Oberste Gerichtshof der Republik Österreich in seinem Urteil vom 02.09.2015 (7 Ob 107/15h) bestätigt.
Wogegen hat die Republik Österreich verstoßen?
Dieses lebenslange Rücktrittsrecht bei fehlerhafter Belehrung zur Rücktrittsfrist, entzog die Republik Österreich durch ein per 04.07.2018 beschlossenes Gesetz. Alle Versicherungsnehmer, die ihren Vertrag bis zum 31.12.2013 geschlossen haben, dürfen weder zurücktreten noch haben sie irgendeinen Anspruch auf Rückzahlung der Prämien. Versicherungsnehmer, die ihren Vertrag ab dem 01.01.2014 geschlossen haben, können nur den Rückkaufswert verlangen. Seit dem 01.01.2019 gibt es nach einem Jahr nur noch den Rückkaufswert ohne die Abschlusskosten.
Welches Recht haben Versicherungsnehmer in diesem Fall?
Nach der Rechtsprechung des EuGH haften die Mitgliedstaaten ihren Bürgern, wenn eine Richtlinie, die dem Einzelnen ein Recht gewährt, von einem Mitgliedsstaat fehlerhaft oder nicht umgesetzt wurde („Francovic-Entscheidung“).
Wofür haftet die Republik Österreich?
Die Republik Österreich schuldet betroffenen Versicherungsnehmern daher aus gemeinschafts-rechtlicher Staatshaftung eine öffentlich-rechtlich „angemessene Entschädigung“ dafür, dass sie aufgrund des Gesetzes vom 04.07.2018 nicht mehr von ihrer Lebensversicherung zurücktreten und nur noch den Rückkaufswert verlangen können. Es wird nicht der Ersatz eines dem Versicherungsnehmer in seinem Vertrag konkret entstandenen zivilrechtlichen Schadens verlangt.
Wie kann der Schaden geltend gemacht werden?
Im europarechtlichen Staatshaftungsanspruch muss der Schadenersatzanspruch nicht für jeden Vertrag einzeln und individuell dokumentiert, dargelegt und bewiesen werden. Der Schaden kann vereinfacht, d.h. pauschalisiert, geltend gemacht werden.
Gibt es eine Deadline?
Ansprüche müssen spätestens bis zum Ablauf des 31.12.2021 gerichtlich geltend gemacht werden. Ansprüche können in der Republik Österreich gebündelt in einer Sammelklage vor einem Gericht in einem Verfahren mit nur einer Instanz vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof geltend gemacht werden.
Weiterführende Links zu den Dokumenten und Rechtsprechungen
Bundesgesetzblatt Nr. BGBl. I Nr. 51/2018
Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicheru
Urteil des Gerichtshofs (3. Kammer) vom 19. Dezember 2019
Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 11. Juli 2019
Parlamentskorrespondenz Nr. 813 vom 04.07.2018
Urteil des Obersten Gerichtshof vom 02.09.2015
Über den Verein zum Schutz von Anlegerinteressen
Der Verein zum Schutz von Anlegerinteressen (VSA) ist eine österreichische Verbraucherorganisation für alle auf dem österreichischen Finanzmarkt angebotenen Finanzanlageprodukte. Die Tätigkeit des Vereins ist nicht auf Gewinn gerichtet.
Der VSA hilft bei der Durchsetzung von außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsansprüchen von Kleinanlegern und Versicherungsnehmern. Der VSA kooperiert mit Experten wie Prozesskosten-finanzierern, Prozessführungsvereinen, Rechtsanwaltskanzleien, Wirtschaftsmathematikern und Wirt- schaftsberatern, die den Verein bei der Erreichung des Vereinszwecks unterstützen.
Sämtliche Informationen finden Sie unter: www.vsa.co.at
Für Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Riedlmayer
Markus Riedlmayer Bakk., MBA
Senior Consultant
Chapter Four Communications Consulting GmbH
HQ Vienna
Lange Gasse 65/16
1080 Vienna
Austria
mobile: +43 664 184 69 60
mail to: vsa@chapter4.at