Wien, 09.03.2021
Causa Lebensversicherung: Österreichs verstößt gegen EU-Recht

Wie vor wenigen Tagen verlautbart, schafft die Regierung der Republik Österreich aufgrund seiner Rechtsprechung im Bereich Lebensversicherungen einen Präzedenzfall. Das im Sommer 2018 verabschiedete Gesetz zur Beschränkung von Rückzahlungsansprüchen aus kapitalbildenden und fondsgebundenen Lebensversicherungen, verstößt gegen die 3. Lebensversicherungsrichtlinie.

Diese besagt, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Union europarechtlich dazu verpflichtet sind, dass Versicherungsnehmer richtig über ihr Rücktrittsrecht belehrt werden. Schon diese Pflicht zur Belehrung wurde nicht richtlinienkonform in österreichisches Recht umgesetzt, obwohl der Oberste Gerichtshof das Urteil des EuGH vom 19. Dezember 2013 am 2. September 2015 bestätigte.

Wissentlich gegen EU-Recht verstoßen
Damit nicht genug. Die Republik Österreich brachte darüber hinaus am 4. Juli 2018 ein Gesetz auf den Weg, in dem Versicherungsnehmerinnen und -nehmern, die ihre kapitalbildende und findsgebundene Lebensversicherung in der Zeit von 1994 bis 2014 geschlossen haben, das Rücktrittsrecht entzieht und sogar Ansprüche aus später geschlossenen Verträgen erheblich beschneidet. Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte im Wissen darüber, dass man gegen geltendes EU-Recht verstößt. Das Gesetz diene der Rechtssicherheit bei mangelnder Belehrung. Die Entscheidung des EuGH widerspreche „dem Rechtsempfinden“ der Regierung, so der damalige Obmannstellvertreter des Ausschusses für Konsumentenschutz Peter Weidinger. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz unterzeichneten das zum 1. Jänner 2019 in Kraft getretene Gesetz.

Darüber hinaus hat der EuGH per 19. Dezember 2019 entschieden, dass der österreichische Gesetzgeber den Anspruch eines Bürgers nicht nur auf den Rückkaufswert beschränken darf und dass österreichische Versicherungsnehmer auch noch von schon beendeten Lebensversicherungen zurücktreten können. Er stellte auch klar, dass sich Österreich bei der Beschränkung des unionsrechtlichen Anspruchs seiner Bürger nicht auf „Rechtssicherheit“ berufen kann.

Warum ist das so relevant?
Recherchen ergaben, dass pro Lebensversicherung, die in Österreich vor dem 1. Jänner 2014 geschlossen wurde, im Durchschnitt ein Schaden von € 2.500.- entstanden ist. Diese Summe (exakte Höhe variiert je Polizze) schuldet die Republik Österreich betroffenen Versicherungsnehmerinnen und -nehmern aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Staatshaftung. Sie hat für eine angemessene Entschädigung zu sorgen, da Betroffene aufgrund des Gesetzes vom 4. Juli 2018 nicht mehr von ihrer Lebensversicherung zurücktreten, lediglich den Rückkaufswert oder weniger verlangen können.

 

Weiterführende Links zu den Dokumenten und Rechtsprechungen
Bundesgesetzblatt Nr. BGBI. I Nr. 51/2018
Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung
Urteil des Gerichtshofs (3. Kammer) vom 19. Dezember 2019
Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott vom 11. Juli 2019
Parlamentskorrespondenz Nr. 813 vom 04.07.2018
Urteil des Obersten Gerichtshof vom 02.09.2015

Rückfragehinweis PR-Agentur:
Markus Riedlmayer Bakk., MBA Senior Consultant

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